Eine Strategie, die Innovation und Resilienz gemeinsam denkt

Standpunkt

Standpunkt von Hanna Hottenrott und Achim Wambach

Eine gezielte wirtschaftspolitische Strategie sei nötig, um Europas Souveränität zu sichern, schreiben Prof. Dr. Hanna Hottenrott, Leiterin ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“ und ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD im Standpunkt. Die EU müsse die eigene Innovationskraft stärken, strategische Rohstoffabhängigkeiten reduzieren und resilientere Lieferketten aufbauen.

Europa steht vor der doppelten Herausforderung, seine Innovationskraft zu steigern und gleichzeitig strategische Souveränität in kritischen Bereichen zu sichern. Während andere Wirtschaftsräume wie die USA und China massiv in Forschung und Entwicklung (FuE) investieren, steigen diese Investitionen in Europa nur verhalten. 

Dies gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und damit langfristig den Wohlstand des Kontinents. Gleichzeitig sind europäische Volkswirtschaften in hohem Maße von externen Lieferketten abhängig, insbesondere bei kritischen Rohstoffen und Hochtechnologien. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, braucht es eine kohärente Strategie, die Innovation und Resilienz gemeinsam denkt. 

Innovationen treiben wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Fortschritt. Die Bedeutung von FuE als zentrale Voraussetzung für Produktivitätssteigerungen und nachhaltige Transformation wird zwar anerkannt, jedoch steigen die Ausgaben für FuE in der Wirtschaft in Europa langsamer als in anderen führenden Wirtschaftsräumen. Nationale Maßnahmen zur Forschungsfinanzierung haben in Deutschland zwar zu einer Erhöhung des FuE-Anteils am BIP geführt, dennoch fehlt eine europäische Gesamtstrategie. 

Es ist daher wichtig, staatliche Förderung effizienter zu bündeln, zu koordinieren und Skaleneffekte besser zu nutzen. Erfolgreiche Beispiele wie CERN oder EuroHPC zeigen, dass gemeinsame europäische Projekte essenziell sind, um global wettbewerbsfähig zubleiben.

Junge, wachstumsorientierte Unternehmen spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung disruptiver Technologien. In der EU fehlt es jedoch an Anreizen und zuträglichen Rahmenbedingung für Wagniskapital. Auf die EU entfällt lediglich ein Bruchteil des globalen Wagniskapitals. Hürden wie regulatorische Unsicherheiten und fragmentierte europäische Arbeits- und Absatzmärkte erschweren das Wachstum junger innovativer Unternehmen.

Um dem entgegenzuwirken, sollten flexiblere Beteiligungsmodelle geschaffen, die Börsenzugänglichkeit verbessert und eine EU-weite Unternehmensform für Start-ups eingeführt werden. Maßnahmen wie das Zukunftsfinanzierungsgesetz in Deutschland oder die Anpassung von Solvency-II-Regulierungen zeigen, dass Reformen möglich sind. Diese Ansätze müssen auf EU-Ebene ausgeweitet werden, um das Investitionsklima für Hochtechnologieunternehmen zu verbessern.

Die technologische und wirtschaftliche Souveränität Europas ist essenziell für die langfristige Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit der Region. Eine Abhängigkeit von wenigen Ländern bei kritischen Rohstoffen und hoch entwickelten Technologien birgt erhebliche Risiken. Die Europäische Union hat dies erkannt und mit Initiativen wie dem European Critical Raw Materials Act und dem European Chips Act erste Maßnahmen ergriffen. Dennoch bedarf es eines umfassenderen Ansatzes, um strategische Unabhängigkeit zu erlangen.

Eine zentrale Herausforderung ist die Sicherstellung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen, die für die digitale und grüne Transformation unerlässlich sind. Aktuell stammen viele dieser Rohstoffe aus wenigen Ländern, was nicht nur Preisschwankungen verursacht, sondern auch geopolitische Erpressbarkeit erhöht. Daher sollten Investitionen in die gesamte Wertschöpfungskette verstärkt werden. Der Abbau, die Verarbeitung und das Recycling innerhalb Europas müssen ausgebaut werden. Dies erfordert koordinierte europäische Anstrengungen sowie neue Freihandelsabkommen mit rohstoffreichen Staaten, um die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern zu reduzieren.

Die EU sollte ein koordiniertes Beschaffungssystem für kritische Rohstoffe etablieren. Denn Störungen in Lieferketten haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Produktionsausfälle zu erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führen können. Eine EU-weite Plattform könnte Bedarfe bündeln und die Verhandlungsmacht gegenüber Lieferanten erhöhen.

Ein weiteres wichtiges Instrument ist die Schaffung eines europäischen Büros für Versorgungssicherheit, das systematisch Risiken analysiert, Daten zur Sicherheit von Lieferketten erhebt und Stresstests durchführt. Durch eine enge Verzahnung mit Unternehmen und politischen Institutionen könnten gezielte Maßnahmen entwickelt werden, um Europas Resilienz gegenüber externen Schocks zu stärken.

Die Sicherung der europäischen Souveränität erfordert eine gezielte wirtschaftspolitische Strategie. Die EU muss die eigene Innovationskraft stärken, strategische Rohstoffabhängigkeiten reduzieren und resilientere Lieferketten aufbauen. Nur durch eine koordinierte europäische Strategie kann die wirtschaftliche und technologische Wettbewerbsfähigkeit langfristig gesichert werden.

Dieser Standpunkt ist zuerst erschienen bei TableMedia [€].

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