Verlässliche Geldpolitik in unsicheren Zeiten
VeranstaltungenBundesbank-Präsident bei „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ in Mannheim
Die Spannungen in der internationalen Handelspolitik, die neuen geopolitischen Realitäten und ihre finanzpolitischen Implikationen fordern Europa heraus. Wie sollten die Zentralbanken des Eurosystems mit der hohen Unsicherheit umgehen und wie kann eine robust aufgestellte Geldpolitik auch in diesen stürmischen Zeiten als Stabilitätsanker dienen? Darüber sprach der Präsident der Deutschen Bundesbank, Dr. Joachim Nagel, mit ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD am 27. Mai im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ am ZEW Mannheim. Die Veranstaltung war mit fast 200 Gästen voll besetzt und wurde unterstützt vom ZEW-Förderkreis.
Geldpolitik muss konsequent bleiben
Nagel betonte, dass die Europäische Zentralbank Zinssenkungen keinesfalls leichtfertig durchführen dürfe. Vielmehr müsse jeder Schritt aufgrund von Daten- und Modellunsicherheiten mit großer Vorsicht erfolgen. Eine Lockerung der Geldpolitik könnte seiner Einschätzung nach gerade in Krisenzeiten sinnvoll sein, um wirtschaftspolitische Impulse zu setzen. Andererseits verwies Nagel auch darauf, dass sich die Inflation als widerstandsfähig erwiesen habe. Aus diesem Grund müsse die geldpolitische Reaktion auch standhaft ausfallen. Ein Balanceakt.
Die aktuell hohe wirtschaftliche und politische Unsicherheit trübe laut Nagel etwas die Freude über eine positive Entwicklung, denn seit Jahresbeginn ist die Inflationsrate im Euroraum von 2,5 Prozent auf 2,2 Prozent im April gesunken. Das Ziel der Europäischen Zentralbank sei damit endlich in greifbare Nähe gerückt. Nichtsdestotrotz bliebe laut Nagel der Weg steinig, denn insbesondere die Kerninflation sei zuletzt mit vier Prozent wieder deutlich gestiegen. Aus diesem Grund betonte Nagel, dass er sich weiterhin für einen geldpolitischen Kurs einsetze, bei dem sich die Inflationsrate nachhaltig bei zwei Prozent einpendelt.
Glaubwürdigkeit bei Fiskalpolitik entscheidend
ZEW-Präsident Achim Wambach betonte die Bedeutung stabiler und glaubwürdiger Fiskalregeln, um der Inflation zu begegnen. Standortfaktoren wie etwa die gestiegenen Lohnkosten führte Wambach als einen akuten Treiber der Inflation in Deutschland an. Eine solide Haushaltsführung sei entscheidend, um sich finanzielle Spielräume auch für zukünftige Herausforderungen zu bewahren.
Trotz der vergangenen Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank wies Wambach darauf hin, dass sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland zuletzt kaum verbessert habe. Die Hoffnung auf eine rasche konjunkturelle Erholung schwinde, da insbesondere Schlüsselindustrien unter Druck stünden. Mit Blick auf die Verschuldung der europäischen Mitgliedstaaten sagte Wambach, dass es zunehmend schwieriger werde, dieses Problem mit Wirtschaftswachstum zu lösen.
Protektionistische Maßnahmen könnten die europäische Wirtschaft erheblich belasten
Nagel äußerte sich besorgt über die wirtschaftlichen Auswirkungen der von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zölle. Er warnte vor einem möglichen Wendepunkt für die internationale Handelsordnung und betonte, dass solche protektionistischen Maßnahmen sowohl die deutsche als auch die europäische Wirtschaft erheblich belasten könnten.
Bezüglich der US-amerikanischen Zollpolitik und der daraus resultierenden Unsicherheiten betonte Wambach, dass darin auch eine Chance für die Europäische Union bestünde. Insbesondere neue Freihandelsabkommen seien perspektivisch umsetzbarer im Vergleich zu früheren Zeiten. In der anschließenden Fragerunde mit dem Publikum stellte Nagel fest, dass die Geldpolitik standhaft gegenüber dem politischen Druck von außen bleiben müsse und die zu treffenden Entscheidungen weiterhin möglichst auf einer guten Datenbasis beruhen sollten.