„EU-Haushalt zwischen regionalem Ausgleich und neuen Prioritäten“
KommentarZEW-Ökonom Zareh Asatryan zur EU-Strukturpolitik
Die Kohäsionspolitik ist seit Jahrzehnten ein zentrales Instrument der EU, um wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen Regionen abzubauen – doch angesichts neuer Prioritäten und wachsender Haushaltszwänge steht ihre zukünftige Ausrichtung zunehmend zur Diskussion. Zareh Asatryan, stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim und Professor an der Universität Münster, erklärt dazu:
„Die Kohäsionspolitik, auf die derzeit etwa ein Drittel des EU-Haushalts entfällt, zielt darauf ab, regionale Ungleichgewichte zwischen den europäischen Regionen vor allem durch die Finanzierung öffentlicher Investitionsprogramme auszugleichen. Eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur über die Kohäsionspolitik hat gezeigt, dass sie sich positiv auf die Wirtschaft der Empfängerregionen auswirkt, auch wenn kein Konsens über ihre Auswirkungen auf die EU als Ganzes besteht.
Doch diese Politik wird nun überdacht. Die Vorschläge, die zum Teil auf den Draghi-Bericht zurückgehen, zielen darauf ab, neue Prioritäten wie Ausgaben für Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit, aber auch die Forderung der Bevölkerung nach bezahlbarem Wohnraum zu berücksichtigen. Auch institutionelle Reformen sind im Gespräch, etwa die Verknüpfung der Finanzierung mit nationalen Reformen - nach dem Vorbild des NextGenEU-Ansatzes - oder die Erhöhung der Flexibilität bei der Mittelzuweisung, um potenziell andere drängende Herausforderungen angehen zu können.
Diese Vorschläge werfen eine wichtige Frage auf: Sollte sich die EU weiterhin auf die Finanzierung von Investitionen in rückständigen Regionen konzentrieren - Investitionen, die sich größtenteils als wirksam erwiesen haben - oder ihre Ausgaben auf neue Prioritäten verlagern? Die Notwendigkeit, die Schulden aus der NextGenEU zurückzuzahlen, stellt eine zusätzliche Belastung für den Haushalt dar, was die Diskussion über mögliche neue eigene Einnahmequellen der EU und die Befugnis zur staatlichen Kreditaufnahme neu belebt.
Während sich die Europäische Kommission darauf vorbereitet, im Juli umfassende Reformen des EU-Haushalts vorzuschlagen, findet auf der ZEW Public Finance Conference in Mannheim (22.-23. Mai) ein Rundtischgespräch zur Zukunft der EU-Kohäsionspolitik statt. Mit dem Beginn des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) im Jahr 2028 wächst der Druck auf den Haushalt, die sich verändernden Prioritäten der Union widerzuspiegeln und einfacher und flexibler zu werden.“